Boris Pofalla über die Arbeit von Anne Imhof für den deutschen Pavillion in Venedig, zitiert aus seinem Artikel für die FAZ.

Die Biennale in Venedig hat kürzlich ihre Tore geöffnet. Poris Pofalla hat sich für die FAZ umgeschaut und konnte wenig Erfreuliches entdecken. Interessant sind seine Gedanken zu Anne Imhofs Performance im deutschen Pavillion. Pofallas großartiges Schlusswort: "Imhofs Clubkid-Abschiebelager ist so gesehen tatsächlich die perfekte Repräsentation der Kulturnation: draußen kläffen Wachhunde, drinnen ist man von sich selbst ergriffen. Deutscher geht es nicht."

Die vierzehnte Ausgabe der Documenta wird zum ersten Mal in zwei Städten gleichzeitig stattfinden – in Kassel und Athen. Die Ausgabe der Großausstellung in der griechischen Hauptstadt, welche vor knapp sechs Wochen eröffnete, wurde von der Presse überwiegend kritisch aufgenommen. Dass die Großausstellung auch in Athen selbst durchaus auf Skepsis stößt, beschreibt Helena Smith in ihrem Artikel für den britischen Guardian. Abgesehen vom heiklen politischen Verhältnis beider Länder, welches die Kunstausstellung überschatte, fühle sich beispielsweise die Kunstszene vor Ort nicht richtig eingebunden.

In einem Beitrag für den Deutschlandfunk versucht der Soziologe Andreas Reckwitz die Frontlinien der gegenwärtigen globalen Konflikte nachzuzeichnen. Für ihn ist der Stellenwert von Kultur und der gesellschaftliche Umgang mit ihr von entscheidender Bedeutung für das Verständnis unserer globalen Krisen: "[Es] sind hier global zwei Modi, zwei Formen der Kulturalisierung am Werk, die ganz unterschiedlich aufgebaut sind: auf der einen Seite eine kosmopolitische und zugleich marktförmige und individualistische Modellierung von Kultur, die ich Hyperkultur nennen will; auf der anderen Seite eine Modellierung von Kultur als historische Gemeinschaften, die man Kulturessenzialismus nennen kann. Sie kommt in verschiedenen Spielarten von der Identitätsgemeinschaft über den Fundamentalismus bis zum Nationalismus vor." Ein äußerst aufschlussreicher Text, welcher die Kunstwelt als prototypischen Teil eben jener Hyperkultur im Zentrum der aktuellen Krisen verortet.

Gerardo Contreras ist Schriftsteller und Kurator und betreibt einen Ausstellungsraum in Mexico City. Im Interview mit The Creative Independent spricht er über sein Unbehagen gegenüber der Kunstszene der Stadt und seinen persönlichen Umgang mit Kreativitätskrisen. Contreras stilisiert sich als Außenseiter und leidende Schöpferpersönlichkeit; dennoch bietet das Gespräch auch viele interessante Einsichten abseits der erwähnten Klischees.

Die Kontroverse um Dana Schutz' Bild "Open Casket" überschattete die diesjährige Whitney Biennale, kaum ein Thema wurde in den vergangenen Monaten innerhalb der Kunstwelt heftiger diskutiert. Die Debatte wurde vor allem mit politischen Argumenten geführt. Die Machart des Bildes an sich, seine tatsächliche Erscheinung, war kaum Gegenstand der Diskussion. Diesen eigentlich bemerkenswerten Umstand beleuchten nun ein Artikel, welcher kürzlich in der FAZ erschien. Ausgehend von der Whitney-Debatte kritisiert Kolja Reichert die starke Fixierung des gegenwärtigen Kunstdiskurses auf identitätspolitische Fragen und eine einseitige Fixierung auf die Inhalte bzw. Konzepte von Kunstwerken. "Wenn man nur irgendwie den Glauben an die Kunst bewahren möchte, kann man nicht moralisch diskutieren. Dann muss man darüber sprechen, was genau man vor sich hat, unter der gemeinsamen Voraussetzung, dass das kleinste formale Detail die Gestalt des Ganzen verändert. Wird Kunst nur als Abbild, mithin als Repräsentation von Menschen oder Gruppen behandelt, kommt ihr jede Sprache abhanden", so der Einwand Reicherts.

Die Argumente im Streit um "Open Casket" basierten auf einer ganzen Reihe linker Antidiskriminierungsdiskurse, welche um die Themenfelder Rassismus, Cultural Apropriation ("Kulturelle Aneignung"), White Supremacy ("Weiße Vorherrschaft") und Critical Whiteness ("Kritische Weißseinsforschung") kreisten. In seinem ausführlichen Artikel für den Freitag beschreibt Leander Badura, wie diese eigentlich gut gemeinten Ansätze sich aus seiner Sicht zu einer Art "Blockwartdenken" verdichtet hätten. Baduras Text bietet einerseits eine Einführung in die Vielfalt jener linkspolitischen Diskurse, welche im Kulturbereich eine gewisse Verbreitung erfahren haben. Anderseits ist er voller Beispiele dafür wie die Deutungsmacht, die solche Diskurse verleihen, pervertiert werden kann: "An die Stelle von Reflexion, Kritik und Austausch ist das sture Lauern auf mögliche Fehler des Gegenübers getreten."

Kritiker Dylan Kerr hat einen neuen Trend ausgemacht: "Frictionless Painting" (in etwa "widerstandslose Malerei"). In seinem Essay für artspace.com beschreibt er eben jene Malerei als digital beeinflusst: die menschlichen Figuren würden in ihrer anonymen Stilisierung an Computerrenderings erinnern. "Frictionless Painting" habe zudem häufig kunstgeschichtliche Bezüge. Ihre Zeitgeistigkeit fasst Kerr folgendermaßen zusammen: "There’s no rough edges to snag on, no impediments to the smooth flow of images and capital, nothing to protest against. Like the products and monetized lifestyles that flit by on our social media feeds, these paintings are clean, smart, and fun."

Galerist und Art Advisor Georges Berges beschreibt in einem Essay für den Observer die Herausforderungen, mit denen der Kunsthandel gegenwärtig konfrontiert sei. Die Frage laute: "How can the art industry adapt to a consumer society in which everything is being turned into an event?" Berges' steilste These: "Gallerists today have to be as creative as the artists they represent."

Die kommerzielle Internetplattform Artsy möchte die Bildende Kunst so populär machen wie die Musik. Warum dies niemals gelingen wird, beschreibt Tim Schneider auf news.artnet.com.