Zitat der Woche von der Galeristin Cristin Tierney über die Messemüdigkeit vieler ihrer Kolleginnen und Kollegen. Zitiert in einem Artikel auf news.artnet.com zur Frieze New York 2018.

Die "Dekolonialisierung" der eigenen Sammlungen voranzutreiben scheinen sich immer mehr Museen zum Ziel gesetzt zu haben. Raimar Stange hat sich für artmagazine.cc die Schau "Hello World" im Hamburger Bahnhof in Berlin angesehen, in welcher die Neue Nationalgalerie den Versuch unternommen hat, ihre Sammlung "'um nicht-westliche Kunstströmungen' zu erweitern", wie Stange schreibt. Das sei leider nur teilweise gelungen, so der Autor. Als Maßstab würde fast immer der westliche Kunstkanon herangezogen, an dem sich dann alle nichtwestliche Kunst zu messen habe: "Die Sammlung wird in dieser Ausstellung um Kunst 'erweitert', die ihren 'westlichen' Regeln, hier die der Abstraktion, gehorchen. Diese 'Erweiterung' enthierarchisiert nicht, wie [Wolfgang] Ullrich[s Essay] dann in eurozentrischer Hybris nahelegt, sondern verlängert vielmehr imperial die Macht der westlichen Kunst in jeden Winkel dieser Welt", so die Kritik Stanges.

Franz Erhard Walther bekam vergangenes Jahr den Goldenen Löwen auf der Biennale in Venedig. Obwohl sein Werk einer breiteren Öffentlichkeit eher weniger bekannt sein dürfte, zählen ihn doch viele zu den wichtigsten deutschen Künstlern seiner Generation, dessen Arbeit auch heute noch von hoher Relevanz ist. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung hat nun ein wirklich sehr schönes und ausführliches Interview mit ihm veröffentlicht. Mit Mareike Nieberding spricht er unter anderem über die schwierige Anfangszeit seiner künstlerischen Laufbahn. An der Akademie in Düsseldorf sei seiner Arbeit überwiegend mit Unverständnis begegnet worden. Witzig sind auch die Beschreibungen seines Mitstudenten Gerhard Richter, von dem Walther nicht besonders viel zu halten scheint, wie folgende Anekdote nahelegt: "Irgendwann habe ich ihn gefragt: Gerd, warum malst du überhaupt? 'Nu, ich will eines Tages ’nen Porsche fahren.' [...] Das fand ich okay, ein wenig Selbstironie wird dabei gewesen sein. Aber ja, seine Kunst ist in großen Teilen so geworden. Diese Rakelbilder, wenn man die in Masse sieht … (Er atmet tief ein) Tja, das würde mir nicht liegen." Mit Beuys sei er ebenfalls aneinander geraten. Dieser habe sogar später zwei wichtige Ausstellungen von ihm verhindert.

Anna Gien bespricht für artmagazine.cc die aktuelle Ausstellung von Hans Peter Feldmann in der Berliner Galerie Mehdi Chouakri. Feldmann stellt gerahmte Briefmarken aus, die nackte Frauen aus unterschiedlichen Epochen der Kunstgeschichte zeigen sowie getragene Highheels. In der zweiten Niederlassung der Galerie werden ebenfalls nackte Sexpuppen gezeigt, welche alltäglichen Beschäftigungen nachgehen. Die Autorin stört sich vor allem an Feldmanns Frauenbild, welches ihr völlig unzeitgemäß vorkommt. Der Künstler entsubjektiviere seine weiblichen Motive und mache sie zu Objekten. Ihr Fazit: "Im besten Sinne kann Hans-Peter Feldmanns 'Frauen-Kabinett' (Wortlaut des Pressetexts der Galerie) als eine Archäologie des männlichen Blicks begriffen werden, die sich allerdings angesichts der völligen Gegenwartsvergessenheit ihrer künstlerischen Strategien selbst nicht einzuholen vermag."

Die wohl berühmteste Performancekünstlerin der Welt, Marina Abramovic, wird gerade in Bonn mit einer großen Retrospektive geehrt. Anne Katrin Feßler vom österreichischen Standard hat mit ihr ein Interview geführt, in dem es nicht nur um ihren Celebrity-Status geht und ihre Kooperationen mit großen Firmen wie Adidas zwecks Fundraising, sondern auch um ihre mangelnde Anerkennung in ihrem Heimatland Serbien, über welches sie anmerkt: "Es ist das erste Mal, dass ich zu einer Ausstellung in meinem Land eingeladen wurde. Ich erinnere mich an die Ausstellung im MoMA 2010. Der serbische Botschafter in den USA wohnte nur drei Blocks entfernt, ist aber nicht gekommen. Die ganze Welt kam, aber er nicht." Nun werde eine große Ausstellung von ihr endlich auch in Belgrad zu sehen sein. Für die Popularität ihrer Performances der letzten Jahre, welche vor allem die Begegnung mit Abramovic als Erlebnis stilisieren, hat sie folgende, leicht kulturpessimistisch gefärbte Erklärung: "All diese Zuwendung zum Publikum und diese One-to-one-Beziehung wäre vor 20 Jahren kein Thema gewesen, weil die Beziehung zwischen den Menschen noch anders war. Aber jetzt hat sich die Technologie so entwickelt – Technologie hat auch so viele Gefühle auf so drastische Weise ersetzt."

Jerry Saltz, der wohl bekannteste Kunstkritik der Gegenwart, wurde vor wenigen Wochen mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Was sie daran problematisch findet, beschreibt Margaret Carrigan in einem Artikel für den Observer. Einer ihrer Kritikpunkte: "Saltz isn’t that interested in shifting the discourse around art and the industry it fuels to be less exploitative of minorities and women. But he is interested in positioning himself as a champion of underdogs and the underrepresented in the arts, a discipline already rife with the white male savior complex to be sure."

David Zwirner, einer der erfolgreichsten Galeristen der Welt, hatte kürzlich die Bereitschaft geäußert, mehr für Messeteilnahmen zu zahlen, um damit die Teilnahme finanziell schwächer aufgestellter Galerien zu subventionieren. Nun hat Larry Gagosian, Besitzer der wohl größten Galerie der Welt, sich ebenfalls zum Thema geäußert. Er finde das Galeriesystem in seiner gegenwärtigen Form ziemlich gut, sagte er vor wenigen Tagen auf einer Veranstaltung des Wall Street Journals, wie unter anderem artnews.com berichtet. Gagosian folgt hier einer konsequent marktliberalen Argumentation, wie seine weiteren Ausführungen belegen: "'In a larger sense, I think it’s a unique economy. The less you fiddle with it, the healthier it’ll be. As far as the question of smaller galleries falling by the wayside, I’ve seen these cycles. I’ve been an art dealer for 40 years. It’s just a cyclical thing.'"

Dass Galerie kleinerer und mittlerer Größe unter großem finanziellen Druck stehen hat auch mit der impliziten Erwartung zu tun, an Kunstmessen teilzunehmen, auch wenn diese für einige kaum ihren finanziellen Zweck erfüllen – die Teilnahme an sich ist zu einem Wert geworden, an dem sich die Professionalität und Ernsthaftigkeit einer Galerie zu bemessen scheint. Ein Artikel auf news.artnet.com über die Kunstmesse Frieze in New York bringt einige der größten Widersprüche dieser Problematik sehr gut auf den Punkt. Autorin Julia Halperin sprach untere anderem mit dem Galeristen William Pym, welcher offen zugab, dass eine Messe wie die Frieze, welche die Galerie eine sechsstellige Summe koste, kein Ort für Experimente sei. Dennoch werde erwartet dass man etwas Außergewöhnliches und Riskantes zeige, um aus dem Masse hervorzustechen: "'You have to walk this tightrope—you have to be careful and carefree at the same time.'" Auf der Spitze des Kunstmarktbooms kurz vor der Finanzkrise 2008 seien im Vergleich zur gegewärtigen Situation geradezu irrsinnige Präsentationen möglich gewesen, wie Autorin Julia Halperin mit folgendem Beispiel illustriert: "This precarious state of affairs is a far cry from just over a decade ago, when the market was characterized by what Gavin Brown called a 'mindless frothiness.' At Art Basel Miami Beach in 2006, Brown presented a single work at his stand: a crushed Camel cigarette pack moving across the floor like a tumbleweed by the artist Urs Fischer. (It sold for $160,000 at the time)."

Einen wirklich lesenswerten Messebericht hat Dean Kissick fürs Magazin Spike abgeliefert. Statt über die auf der Frieze New York ausgestellte Kunst zu schreiben, schildert er seine zahlreichen zwischenmenschlichen Erlebnisse, welche sich überwiegend auf Partys und Abendessen zugetragen haben sollen – grotesk, witzig und irgendwie schrecklich.

Kolja Haaf stellt in seinem vierminütigen Film auf sueddeutsche.de von künstlicher Intelligenz geschaffene Kunstwerke, Gedichte und Songs vor, steile Thesen inklusive.

Der inzwischen fast siebzigjährige Komiker Otto Waalkes stellt in Frankfurt nun seine Malereien aus. Christoph Schröders erstaunlich wohlwollende Besprechung der Schau kann man auf sueddeutsche.de nachlesen, Bildbeispiele (brrrr) gibt es auch dazu.