Chris Dercon über einen der großen Unterschiede zwischen Kunst- und Theaterwelt. Zitiert aus einem Interview mit der NZZ vom 15.11.2017.
Keine Personalentscheidung in der deutschen Kulturlandschaft hat in diesem Jahr so viel Streit provoziert wie die Berufung Chris Dercons zum Intendanten der Berliner Volksbühne. Nun hat endlich sein Programm begonnen. Die erste Inszenierung im Stammhaus der Volksbühne hat Katrin Bettina Müller für die TAZ besucht. Ihren Gesamteindruck beschreibt sie folgendermaßen: "Nie hat man an diesem Abend das Gefühl, dass das Haus seine gewohnte Betriebstemperatur erreicht, dass es hinter den Kulissen, auf der Bühne und in den Köpfen der Zuschauer brummt vor Anstrengung. Nichts erinnert hier an ein überbordendes Spiel, an ein Überlaufen des Fasses der Ideen. Mehr wie die Exerzitien eines Reinigungsrituals fühlt es sich an, ein Leerfegen des Raums, eine langsame Ankunft." Viele Kritiker Dercons pochen schlicht auf die Fortführung der angeblich großartigen Tradition des Hauses. Im Interview mit der Neuen Züricher Zeitung kontert Dercon den Konservatismus seiner Gegner mit folgenden Worten: "Die Volksbühne ist die Geschichte von hundert Jahren Radikalität und von Neubefragung der Konventionen, und wir stehen für Kontinuität."
Der bisher offensivsten Beitrag zur Sexismus-Debatte im deutschen Kunst- und Kulturbetrieb kommt von der Zeit-Redakteurin Carolin Würfel. In einem offenen Brief nennt sie zahlreiche konkrete Beispiele sexuell übergriffigen Verhaltens einflussreicher Akteure, ohne jedoch Namen zu nennen. Würfel lässt keinen Zweifel daran, dass ihr Brief als Kampfansage zu verstehen ist: "Meine Freundinnen, Bekannten, Kolleginnen, ich, wir haben es satt. In unseren Bäuchen brodelt es. Der Kloß will raus. Wir schützen diese Männer, weil wir ihren Ruf nicht gefährden wollen? Was ist mit dem Leben der Frauen? Mit uns? Mit der Scham und den hässlichen Erinnerungen, die wir seit Jahren mit uns durch [Berlin] schleppen?"An die im Artikel genannten Männer gerichtet schreibt sie: "Ich will Euch nicht vor Gericht sehen. Oder an den Pranger stellen. Aber ich will, dass Ihr wisst, dass wir Euch nicht vergessen haben. Ich will, dass Ihr wisst, dass Ihr und Eure Kumpels Euch ändern müsst. […] Wenn wir uns das nächste Mal auf einer Veranstaltung sehen (und das werden wir ganz sicher), dann werde ich Euch, diesen zehn Männer auf meinem Post-it, nicht rechts und links die Wange küssen. Stattdessen werde ich Euch beim Namen nennen, von diesem offenen Brief erzählen und zu Euch sagen: Der Gastronom, Künstler, Architekt, Verleger, Herausgeber, Anzeigenverkäufer, Journalist, Schriftsteller oder Galerist bist Du." Nur zwei Tage nach Erscheinen des offenen Briefes folgte einen Gegenrede, und zwar von Sabine Rückert, der stellvertretenden Chefredakteurin der Zeit. In ihrem Kommentar kritisiert sie die Beschuldigungen Würfels als unbewiesen und wirft der Autorin vor, sich bloß wichtig machen zu wollen. Für Rückert scheint die ganze Debatte am eigentlichen Punkt vorbei zu gehen. Sie betont immer wieder, dass es sich bei sexueller Übergriffigkeit um ein strafrechtliches Problem handele. So wirkt ihre Argumentation merkwürdig einseitig und verkürzend.
Künstler und Aktivist Ai Weiwei hat einen Film über Flucht und Migration gedreht, welcher nun auch in den deutschen Kinos zu sehen ist. Bereits in der Vergangenheit hatte Weiwei die Flüchtlingskrise zum Thema seiner Arbeit gemacht. Er sah sich aber des Öfteren der Kritik ausgesetzt, sein Ego würde dabei die eigentliche Hauptrolle spielen. Eva Thöne hat sich den "Human Flow" betitelten Film angesehen und beschreibt auf Spiegel Online ihren Eindruck: "'Human Flow' ist [...] in den Momenten am stärksten, in denen Ai nicht vorkommt. Denn blendet man die Kitsch-Szenen aus, bleibt ein Film, der als Aufruf zu einer humaneren Flüchtlingspolitik durchaus funktioniert."
Vor knapp zwei Wochen wurde das Bild "Salvator Mundi" von Leonardo da Vinci für rund 450 Millionen US-Dollar versteigert. Die gezahlte Summe erstaunt auch deshalb weil die Autorenschaft Leonardos im Vorfeld angezweifelt wurde. Zudem befindet sich das Gemälde in einem relativ schlechten Zustand. Im Interview mit der Zeit äußert sich der Kulturtheoretiker Wolfgang Ullrich zum mutmaßlichen Motiv des bisher unbekannten Käufers (oder der Käuferin): "Bei diesem Rekord geht es weder um die Kunst noch um die Geldanlage. Sondern darum, dass jemand durch eine irrationale Geldausgabe maximale Aufmerksamkeit erzielen will. Hier geht es um das Spektakel. Indem er sich auf eine aggressiv-obszöne Weise seines Vermögens entledigt, vollzieht der Käufer eine Machtgeste und demonstriert all denen, die weniger oder gar kein Geld haben, seine Überlegenheit." Das Auktionshaus Christie's hatte im Vorfeld einen Film produzieren lassen, um das Gemälde zu promoten. Das Video zeigt ausschließlich Menschen beim Betrachten des Werkes. Ihre Reaktionen erinnern zum Teil an jene von Gottesdienstbesuchern. Ein schöner Kontrast dazu bildet ein Foto des Gemäldes, welches vor dessen Restaurierung aufgenommen worden sein soll. Gepostet hatte es Thomas Campbell, ehemals Direktor des Metropolitan Museum of Art in New York, wie The Art Newspaper berichtet.
Der Görlitzer Park in Berlin gilt als einer der wichtigsten Drogenumschlagsplätze der Bundeshauptstadt. Seit Jahren versucht man, dem Problem Herr zu werden, mal mit Law & Order, mal mit Laissez-faire. Nun gab es Aufregung um eine Ausstellung im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum am Kottbusser Tor, welche den meist eingewanderten Drogendealern und ihrer jeweiligen Heimat gewidmet ist. Thorsten Schmitz hat darüber für die Süddeutsche Zeitung mit dem Kurator Scott Holmquist gesprochen, aber auch mit Dealern und Polizisten.
Die Kunstaktivisten vom Zentrum für Politische Schönheit haben vor dem Privathaus des AfD-Politikers Björn Höcke ein Stelenfeld errichtet, welches an das Berliner Holocaust-Mahnmal erinnern soll. Der dem rechten Flügel der AfD angehörende Politiker hatte den Erinnerungsort für die ermordeten Juden Europas Anfang des Jahres in einer Rede als "Denkmal der Schande" bezeichnet. Höcke solle vor dem Mahnmal niederknien, so die Aktivisten, oder man werde Dossiers über den Politiker veröffentlichen, welche nach einer mehrmonatigen Observierung Höckes zu Stande gekommen seien. Kritik an der Aktion kam aus den unterschiedlichsten politischen Lagern, wie unter anderem die FAZ berichtet.