CDU-Politiker Jens Spahn, zitiert aus seinem Gastbeitrag für die Zeit vom 23.08.2017.

Die im Silicon Valley verdienten Milliarden sind schon länger im Visier von Galeristen und Kunsthändlern, die junge Tech-Elite scheint jedoch bisher wenig an Kunst und deren Erwerb interessiert. Eileen Kinsella hat sich für artnet.news.com auf die Suche nach den Gründen begeben. Einige interessante Thesen zum Thema hat Marc Glimcher auf Lager, Präsident der Mega-Galerie Pace: "In Silicon Valley, you have very intelligent educated people who don’t place a priority on accruing social status through conspicuous consumption – that is against the culture." Sammler aus der Tech-Industrie seien besonders an der hinter einem Werk stehenden Entstehungsgeschichte interessiert. "They’re obsessed with the history of artists as innovators", so Glimcher.

Über die komplexen Preisgestaltungsmechanismen auf dem Kunstmarkt kann man sich in einem ausführlichen Artikel auf artspace.com informieren.

Viele der Debatten um Kunst, welche in den letzten Monaten stattfanden, wurden aus einer identitätspolitischen Perspektive heraus geführt – man erinnere sich an die Kontroverse um Dana Schutz' Gemälde "Open Casket" (weiße Künstlerin malt Ikone der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung) oder an die Debatte um Jimmi Durhams Stammeszugehörigkeit zu den Cherokee. In einem äußerst lesenswerten Essay, welchen die NZZ kürzlich veröffentlichte, problematisiert Mark Lilla die Fixierung der politischen Linken auf identitätspolitische Fragen. Der Autor, selbst Professor an der New Yorker Columbia Universität, schreibt dem Schlachtruf der 68er-Bewegung "Das Persönliche ist das Politische" eine zentrale Bedeutung zu. Dessen romantische Interpretation als einer totalen Einheit von persönlicher Empfindung und politischer Agitation führte zu eben jener Fixierung auf identitätspolitische Konzepte, so die Kritik des Autors: "Das klassische demokratische Konzept, Menschen unterschiedlichster Herkunft hinter ein einziges gemeinsames Anliegen zu scharen, ist einer Pseudopolitik gewichen, die sich in Selbstbespiegelung und Selbstbehauptung erschöpft. Und was diese Tendenz am Leben hält, ist die Tatsache, dass sie an den Colleges und Universitäten kultiviert wird, wo die linksliberale Elite ihre Ausbildung erhält."

Nachdem die documenta-Veranstaltung »Auschwitz on the Beach« nach Protesten abgesagt wurde, luden die Verantworlichen gestern zur Rechtfertigung. »Ja, er schäme sich«, meinte Autor Franco Berardi – aber nicht für seinen Vergleich. Trotzdem zerriss er sein umstrittenes Gedicht

Richard Floridas Studie "The Rise of the Creative Class" aus dem Jahre 2000 war eine äußerst einflussreiche Publikationen zum Thema Ökonomie und Stadtentwicklung in postindustriellen Gesellschaften. Floridas Kreative Klassesteht für Innovationsfähigkeit und ist vor allem als Ideen- und Symbolproduzent tätig. Städte müssten sich den Anforderungen dieser liberalen und kulturell tonangebenden Gruppe anpassen um im globalen Wettbewerb bestehen zu können, so die Schlussfolgerung zahlreicher Politiker und Stadtplaner. Nun hat Florida ein neues Buch veröffentlicht, in dem er die vielen Fehlentwicklungen der von ihm prognostizierten (und propagierten) Transformationsprozesse erläutert. Sam Wetherell beschreibt in seinem Artikel für das Jacobin Mag die Hauptprobleme mit folgenden Worten: "The rise of the creative class in places like New York, London, and San Francisco created economic growth only for the already rich, displacing the poor and working classes. The problems that once plagued inner cities have moved to the suburbs." Wetherell fasst Floridas ursprüngliche Thesen zusammen, vergleicht sie mit den realen Entwicklungen der vergangenen siebzehn Jahre und bespricht schließlich Floridas neues Buch zum Thema. Der Autor schließt mit folgendem Fazit: "Richard Florida was right when he said that the 'creative economy' is the new way of the world. But its development didn’t happen how he imagined. Rather than launching humanity into a new phase of prosperity, the new economy simply holds the different elements of late capitalism together — making it palatable for some but deepening its crises and contradictions for others."

Apropos "Late Capitalism" - der äußerst empfehlenswerte Blog Humans of Late Capitalism versammelt Bilder, die die mitunter grotesken Widersprüche und Manierismen unserer kapitalistischen Gegenwart auf den Punkt bringen. Ein absurder, tragikomischer Humor zieht sich durch die meisten Beiträge – extreme Ambivalenz ist eine der größten Qualitäten des Blogs. Für alle die noch tiefer einsteigen wollen: über die aktuelle Konjunktur des Begriffs "Late Capitalism" und dessen unterschiedlichen Bedeutungsebenen schreibt Annie Lowrey in ihrem Essay für theatlantic.com.

Neben der Kreativität gibt es ein weiteres Konzept, welches stark mit der Kunst assoziiert ist und seit einiger Zeit eine große gesamtgesellschaftliche Auf- und eben auch ökonomische Ver-Wertung erfahren hat: die Authentizität. Julian Dörr warnt in seinem Essay für die Süddeutsche Zeitung vor den Gefahren des Authentizitätsanspruchs vor allem im politischen Betrieb und beschreibt die zahlreichen Widersprüche, von denen der Begriff des Authentischen durchzogen ist. Dörrs konsequente Forderung: "Authentizität ist ein sehr vager Begriff, der keiner Diskussion oder Analyse standhält. Und der aufgrund seiner Schwammigkeit und Ambivalenz für viele eigentlich widersprüchliche Zwecke instrumentalisiert werden kann. Authentizität sollte deshalb auch keine Maxime sein, von der eine Gesellschaft sich leiten lässt."

Jens Span, prominenter CDU-Politiker, sorgte vor einigen Tagen mit einer besonderen Beschwerde für Aufsehen: in einem Gastbeitrag für die Zeit kritisierte er, dass es in manchen Berliner Kaffees nur noch englischsprechendes Personal gäbe. Elitäre Hipster würden sich so vom Normalbürger abschotten; in Berlin habe sich eine völlig neue Form der Parallelgesellschaft entwickelt - Floridas Creative Class lässt grüßen. Spans knackigste Zitate kann man hier nachlesen.

Worüber sonst noch diskutiert wurde: Die Autorin und Regisseurin Darja Stocker beklagt in einem Artikel für den Blog der Zeitschrift Merkur den tief verwurzelten Sexismus, welchen sie während ihres Studiums des Szenischen Schreibens an der UDK Berlin erlebt habe. Eine ihrer damaligen Kommilitonen, Anne Rabe, widerspricht ihr in einer Replik auf nachtkritik.de, außerdem äußerst sich einer der von Darja Stocker angegriffenen Professoren auf der selben Plattform.