Jan Böhmermann im Podcast "Fest & Flauschig", 26.11.2017

Jan Böhmermann, seines Zeichens Moderator, Satiriker und Erdogan-Beleidiger, hat im Düsseldorfer NRW-Forum eine Ausstellung mit dem Titel "DEUSCTHLAND" inszeniert, zusammen mit der Bildundtonfabrik, die unter anderem bereits das Neo Magazin Royale produzierte. Annekathrin Kohout hat die Ausstellung besucht und geht in ihrem Bericht auf sofrischsogut.com unter anderem der Frage nach, ob Böhmermann es wirklich ernst meine mit der Kunst oder ob er nur den Kunstbetrieb vorführen und in seiner Lächerlichkeit entlarven wolle. Er nehme das Format der Kunstausstellung durchaus ernst, so das Fazit Kohouts. Allerdings - "[…] im direkten Vergleich muss man sagen, dass die Fernsehsendungen und Online-Auftritte humorvoller (somit auch vieldeutiger) und assoziationsreicher sind. Dadurch wird deutlicher als in jeder anderen Ausstellung, wie defizitär Kunst gegenüber anderen Medien sein kann. Zumindest dann, wenn man sie mit einem Unterhaltungsformat (Fernsehen, Podcast, Social Media), dem Satire-Genre und einem so ausgezeichneten Entertainer wie Jan Böhmermann konfrontiert", so die Einschätzung der Autorin.

In einem Essay für das Magazin WASD, welches nun auf Spiegel Online veröffentlicht wurde, kritisiert Autor und Medienkünstler Eron Rauch die stumpfe Erledigungs-Mentalität, die viele aktuelle Computerspiele prägen würde. Er schreibt: "Computerspiele zu spielen bedeutet zunehmend, innerhalb derselben Kategorien und Strukturen zu denken und zu handeln, die wir normalerweise mit Arbeit assoziieren. Arbeit hat dieses Medium für sich erobert und damit begonnen, das Spielerische aus ihm zu vertreiben." Rauchs Gegenrezept: die Wiederentdeckung der Muße: "Sich für Muße als zentralen Wert von Gamedesign einzusetzen, ist der einzige Weg, wie wir Computerspiele als Raum für jene vielfältigen und nuancierten Diskussionen zurückerobern können, die das Leben erst so schön, aufregend, interessant, ergreifend und bedeutsam machen."

Ein schönes Beispiel für die Verkunstung des Kapitalismus sind sogenannte Concept Stores. Isabel Metzger stellt in ihrem Bericht für Spiegel Online einige Shop-Betreiber, deren Konzepte und Strategien vor. Gemeinsame Merkmale: Wenige Waren, aufwändige Präsentation, bewusst schwer zu findende Läden, Verknappungsstrategien, hohe Preise und nicht zuletzt – die Horrorwährung Authentizität: "'Die Kunden erwarten dort ein sinnliches Erlebnis, mit authentischen Verkäufern, die etwas von ihrer eigenen Persönlichkeit hineinstecken'", so die Einschätzung einer Markenberaterin. Und Concept-Store-Gründer Andreas Murkudis beschwört: "'Man muss hinter den Konzepten einen Menschen spüren. Erst wenn die Leidenschaft nicht mehr da ist, verliert auch der Laden an Attraktivität.'"

Der Soziologe Pierre Bourdieu veröffentlichte im Jahre 1979 sein Buch "Die feinen Unterschiede - Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft". Er erweiterte darin das bis dahin rein ökonomisch definierte Modell der gesellschaftlichen Klassen beziehungsweise Schichten um den Aspekt der Kultur. Der Deutschlandfunk fragt in einem Beitrag nach der Aktualität von Bourdieus Theorie. Autor Michael Reitz beschreibt deren Kernelemente folgendermaßen: "Vier Kapitalsorten macht Bourdieu für die Aufteilung der Gesellschaft in Klassen aus: ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital und symbolisches Kapital, jeweils auch an Unterschiede in Geschmack und Lebensstil gebunden. […] Jeder Mensch [...] versuche deshalb, nicht nur wirtschaftlich aufzusteigen, sondern auch mit der Aneignung kulturellen Wissens und kultureller Kompetenz." Die kompakte Einführung in die Theorie Bourdieus eröffnet interessante Perspektiven gerade auf das soziale Gefüge des Kunst- und Kulturbetriebs, welcher in besonderem Maße von Individuen bevölkert wird, die sich besonders über ihr kulturelles, soziales und symbolisches Kapital definieren.

Das Wirtschaftsmagazin brand eins hat ein sehr schönes Interview mit dem Gangsterrapper Xatar veröffentlicht über Straßenkapitalismus, seine Musik und den Wert von Bildung. Hier ein kleiner Teaser: "[brand eins:] Im Gangster-Rap wird doch gerade das Straßenleben glorifiziert … [Xatar:] Alle wollen von dort weg – wer was anderes erzählt, ist nicht von der Straße. Das Leben da ist einfach scheiße, glaub mir. Ich kenne so viele Leute, die richtig viel Geld gemacht haben und mich trotzdem anbetteln, dass ich sie mitnehme zu einer Premiere oder Gala. [brand eins:] Vielleicht nur, um mal was anderes zu erleben? [Xatar:] Nein. Weil ihnen da zum ersten Mal bürgerliche Leute die Hand geben, sie anlächeln. Bruder, am Ende geht es allen um Anerkennung. Soziale Anerkennung."

Die Direktorin des Stedelijk Museum in Amsterdam, Beatrix Ruf, nahm vor wenigen Wochen ihren Hut, nachdem Vorwürfe laut wurden, ihre Nebentätigkeiten als Beraterin für diverse Kunstsammler hätten zu Interessenskonflikten geführt. In seinem Beitrag für das Magazin Frieze beschreibt Stefan Kobel die strukturellen Schwächen des gegenwärtigen Kunstsystems, welche zwischen Markt, Museen und Politik fast zwangsläufig Interessenskonflikte heraufbeschwören würden, so die These des Autors.

Das Zentrum für politische Schönheit setzt mit seinen Aktionen auf maximale mediale Aufmerksamkeit, entsprechend spektakulär und kontrovers geht es dabei zur Sache. Ihr aktueller Coup – ein an das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnernde Stelenfeld auf dem Nachbargrundstück des AfD-Politikers Björn Höcke. Dieser hatte in einer Rede Anfang des Jahres eben jenes Berliner Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet. Zudem habe man ein Dossier über Höcke angelegt, so die Aktionsgruppe, welches nach intensiver Beobachtung des Politikers zu Stande gekommen sei. In einem Artikel für den Freitag versucht Michael Angele die Gründe für jenes Unbehagen herauszuarbeiten, welches die Aktion auch bei vielen Linken hervorzurufen scheint.

Offene Briefe und Petitionen werden im Kunst- und Kulturbereich immer häufiger zum Mittel der Wahl, wenn es darum geht, Missstände anzuprangern und die eigenen Interessen durchzusetzen. Das Metropolitan Museum in New York wurde nun per Online-Petition dazu aufgefordert, ein Gemälde des Künstlers Balthus aus der Präsentation zu entfernen. Das Werk Balthus' gab schon häufiger Anlass für heftige Diskussionen, scheint sein erotisch motiviertes Interesse an vorpubertären Mädchen doch wichtiger Bestandteil seines künstlerischen Oeuvres zu sein. Die Kunstgeschichte nun zu zensieren, basierend auf zeitgenössischen Moralvorstellungen, das sei ein Fehler, so Catrin Lorch in ihrem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung: "[...] 'wahr' ist nicht immer das, was alle als 'schön' oder 'gut' empfinden. Deswegen lässt sich an Gemälden und Literatur, Film und Musik besser verhandeln, was Menschen, ihre Gefühle und ihre Moral ausmacht", so der Einwand der Autorin.

Zum Schluss ein Hinweis in eigener Sache - die aktuelle Ausgabe des Pressespiegels ist die letzte auf art-magazin.de. Wer auch weiterhin auf dem Laufenden bleiben möchte, dem würde ich empfehlen entweder der Facebook-Seite oder dem Instagram-Account zu folgen.