Zitat der Woche von Dr O’Brien, dem Mitautoren einer Studie zur sozialen Struktur der britischen Kulturindustrie. Zitiert in einem Artikel auf frieze.com

Zwei Studien sind in den vergangenen Wochen erschienen, die beide problematische Strukturen innerhalb des professionellen Kulturbetriebs bzw. der Creative Industries beleuchten.

Die erste befasst sich mit der finanziellen Situation von Künstlerinnen und Künstlern in Berlin, wobei hier ein besonderes Augenmerk auf der geringeren Präsenz und schlechteren Bezahlung von Künstlerinnen liegt im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Nachzulesen ist der Report unter anderem auf dem Blog Blitzkunst. Eigentlich sind die Ergebnisse der Studie nicht überraschend, die konkreten Zahlen sind dann aber doch ziemlich heftig zu lesen: "Der sogenannte Gender Pay Gap liegt in der Berliner Kunstwelt bei 28% und damit über dem allgemeinen Durchschnitt von 21%. Wobei sich der eigentliche Skandal hinter dieser Zahl verbirgt: Die durchschnittliche Höhe der Einkünfte aus künstlerischer Arbeit liegt bei gerade einmal 9.600,- Euro pro Jahr, die Hälfte aller Künstler_innen verdient mit ihrem Beruf weniger als 5.000,- Euro. Während Männer im Jahr 11.662,- Euro verdienen, beträgt der Verdienst von Frauen nur 8.390,- Euro. So ist der Großteil der Künstlerinnen auf andere Einkommensquellen angewiesen. Für 80% ist ihre künstlerische Arbeit ein Verlustgeschäft. Insgesamt bezieht nur jede zehnte Künstler_in ihr gesamtes Jahreseinkommen aus der künstlerischen Arbeit, 13% der Männer und 8% der Frauen. Die Studie zeigt zudem, dass 90% der Künstler_innen später nicht von ihrer Rente leben können. Die durchschnittliche Rentenerwartung der Künstler_innen liegt bei 357,- Euro, wobei über die Hälfte aller Künstlerinnen weniger als 280,- Euro erwarten."

Die zweite Studie befasst sich mit der sozialen Struktur innerhalb der britischen "Creative Industries". Tom Jeffreys hat sie für frieze.com analysiert. Auch hier sind die Erkenntnisse im Rahmen des Erwartbaren: die Struktur der britischen Gesellschaft im Ganzen unterscheidet sich stark von der sozialen Struktur der britischen Kreativwirtschaft. Jeffreys beschreibt die Situation folgendemaßen: "What emerges is an account of 'a "creative class" quite distinct from the rest of society.'The report strongly suggests that meritocracy is a myth. Women, people from working-class backgrounds, and Black, Asian and Minority Ethnic (BAME) workers all face significant exclusions from an industry which is over-represented by upper middle-class white men. Just 2.7% of workers in museums, galleries and libraries are of BAME backgrounds (compared to nearly 10% of the UK workforce overall) while just 12.6% of workers in publishing are of working-class origins (compared to 35% of the workforce overall). […] The overall picture is of a homogenous workforce whose social networks are largely limited to other culture professionals and whose values are markedly different to those of any other occupation. Cultural workers are 'the most liberal, most pro-welfare and most left wing of any industry.'" Jeffreys zitiert einen der Autoren der Studie, Dr O’Brien, mit folgenden Worten: "Basically, you have a set of people who look very much like the audience that they are serving. We could consider the cultural sector a closed segment of society."

Referenzialität sei eines der wichtigsten Kennzeichen zeitgenössischer Kunst, allerdings funktioniere die Bildkultur der sozialen Netzwerke auf ganz ähnliche Weise, so Annekathrin Kohout in ihrem aktuellen Blogpost auf sofrischsogut.com. Die meisten Künstler hätten auf die Aneignungsstrategien dieser relativ neuen, sozial motivierten Bildkultur noch keine eigenständige Antwort gefunden, so die Autorin. Sie schreibt: "Wo also die Aneignungsformen der Kunst zu Alltagspraktiken geworden sind, stellt sich aber auch die Frage, wie zeitgenössische Künstler wiederum auf Bilder aus den Sozialen Medien reagieren. Und es zeigt sich: Meistens nur mit den gleichen gängigen Aneignungsverfahren. Darin besteht eine gewisse Tragik: Die Kunst vermag nicht darauf zu antworten, dass man ihr ihre einschlägigen Techniken weggenommen hat." Sie beschreibt anhand einiger Beispiele, wie Arbeiten durchaus bekannter Künstlerinnen und Künstler sich in reiner Wiederholung von „Amateuren“ praktizierter Bildaneignungen und-transformationen erschöpfen und fordert schließlich: "[...] wer sich künstlerisch mit vorhandenen Bildern beschäftigt, sie affirmiert oder kopiert, sollte künftig auch auf die Bilder der Laien im Netz, die auf die gleichen Strategien und Techniken zurückgehen, antworten können. Zumindest dann, wenn gute Kunst daraus werden soll."

Der Autohersteller BMW engangiert sich stark im Bereich des Kultursponsoring, vor allem im Feld der Bildenden Kunst. Das Magazin Spike hat nun ein Interview mit Thomas Girst veröffentlicht, dem Leiter des Kulturengagements von BMW. Darin erfährt man einige interessante Details zur Sponsoringstrategie des Unternehmens. Angesprochen auf die eher subtilen Sponsoringstrategien des Unternehmens und deren Nutzen für BMW antwortet Girst: "Die Subtilität des Auftritts zeugt von der Souveränität des Unternehmens. Gerade im Kulturbereich bedarf es gewisser Sensibilitäten. Wenn ich unser Logo auf den roten Vorhang projiziere bevor die Oper anfängt, würden wir genau dieselben Leute verprellen, die wir erreichen wollen. Wie werden wir Teil des Narrativs? Denn das ist wichtig."

Ein schönes Interview mit dem österreichischen Bildhauer, Maler und Installationskünstler Heimo Zobernig hat Anne Katrin Feßler für den Standard geführt.

Künstler und Aktivist Ai Weiwei hat ein Selfie von sich und Alice Weidel, der Bundesfraktionsvorsitzenden der rechtspopulistischen AfD, gemacht, nach dem er von ihr darum gebeten worden war. Politisch könnten die beiden kaum weiter auseinander liegen, entsprechend sorgte das Bild, welches Weidel auf Twitter teilte, für Irritationen (vermutlich auf beiden Seiten des politischen Spektrums). Hyperallergic.com beschreibt die Hintergründe der Angelegenheit. Weiwei habe nach eigenem bekunden Frau Weidel nicht erkannt. Darauf angesprochen, verteidigte er sein Foto mit den folgenden Worten: "Alice Weidel is a democratically elected politician and has the right to freely express her political views. Although her views are completely the opposite of mine, no one has the right to judge her personal life."

Die Party der König Galerie zum Abschluss des Berliner Gallery Weekends vergangene Woche, welche diese mit den Betreibern des Mode-Blogs Dandy Diary organisert hatte, sorge bei einigen Beobachtern bereits im Vorhinein für Verstimmungen, vorsichtig ausgedrückt. Die "happy ending" betitelte Veranstaltung wurde mit einer Grafik beworben, welche von Kritikerinnen und Kritikern als sexistisch, stereotyp und als ein Akt der ungerechtfertigten kulturellen Aneignung bezeichnet wurde. Eine Petition wurde gestartet, um die Verantwortlichen zu einer öffentlichen Diskussion zu bewegen (auf der Seite kann man auch den umstrittenen Flyer sehen). Dandy Diary scheinen sich keines Problems bewusst zu sein, das legt zumindest ihr Posting nach der Party nahe, der etwas nach beleidigter Leberwurst klingt. Ein Facebook-Post wurde am Tag der Party lanciert, welcher zu vielfältigen Aktionen gegen die Party und alle beteiligten Personen und Institutionen aufrief. Wer sich dafür interessiert, wie man mit den Mitteln der Sozialen Medien (öffentlichen) Druck ausübt, dem sei die Lektüre des Posts dringend empfohlen.

Jerry Saltz, inzwischen mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, hat auf vulture.com eine wie immer launische, aber auch fundierte und ausführliche Kritik am aktuellen System der Kunstmessen veröffentlicht. "As a system, art fairs are like America: They’re broken and no one knows how to fix them. Like America, they also benefit those at the very top more than anyone else, and this gap is only growing", so Saltz gleich zu Beginn des Artikels.

Der Rechtsstreit um das weltberühmte Selfie des Affen Naruto scheint endgültig beendet zu sein. Die Tierrechtsorganisation PETA hatte versucht im Namen des Affen die Urheberrechte an den Fotos einzuklagen. Beklagter war der Fotograf David J. Slater, mit dessen Kamera das Tier die Fotos geschossen hatte und der die Rechte an den Bildern hält. Nun hat ein Berufungsgericht in San Francisco die Klage der Organisation abgewiesen. Unter anderem berichtet Spiegel Online über die Hintergründe dieses juristischen Präzedenzfalls.

Und noch eine kuriose Meldung aus dem Bereich der Wildlife-Fotografie, die ebenfalls Spiegel Online verbreitete: Fotograf Marcio Cabral gewann den Wildlife Photographer of the Year Award in der Kategorie "Tiere in ihrer Umwelt" mit der Nachtaufnahme eines Ameisenbärs, welcher sich an einem Termitenhügel zu schaffen macht. Dann stellte sich heraus dass die Aufnahme mit einem ausgestopften Bären inszeniert wurde. Der Betrug flog folgednemaßen auf: "Offenbar war einigen Betrachtern des Fotos aufgefallen, dass es im Besucherzentrum des Naturparks in Brasilien einen präparierten Ameisenbär gibt, der dem auf dem Bild zum Verwechseln ähnlich sieht und in genau derselben Pose ausgestopft wurde." Cabral wurde daraufhin der Preis aberkannt. Es hat schon fast etwas niedliches, auf so altmodisch-analoge Art Bilder zu fälschen.

Der "World Press Photo Award" hat schon länger mit dem Problem manipulierter Photos zu kämpfen. Dass die Grenze zwischen legitimer Bildbearbeitung und "wahrheitsverzerrender" Manipulation fließend ist, macht die Beurteilung im Zweifelsfall nicht eben einfacher. Florian Sturm berichtet im Freitag von der Vorstellung der Finalisten der diesjährigen Ausgabe des Wettbewerbs. Zum ersten in der Geschichte des Awards seien die Finalisten aller Kategorien zwei Monate vor der Preisverleihung veröffentlicht worden. Davon könnte man sich eine Klärung möglicher Betrugsfälle versprechen, so die Vermutung des Autors.

Die Gewinnerfotos kann man sich unter anderem auf FAZ.net ansehen.