Zitat der Woche von Helge Achenbach, einer der ersten und schließlich wichtigsten Kunstberater Deutschlands, im Interview mit der Welt am Sonntag, 10.06.2018

Der Literaturwissenschaftler Hannes Bajohr fordert im Interview mit jungle.world eine Gegenwartsliteratur, die sich mit den strukturellen Besonderheiten unserer digitalen Gegenwart auseinandersetzt. Seine These: alles sei Text. "Das ist gerade nicht als hochgestochene Metapher, sondern als ganz konkrete, technische Wirklichkeitsbeschreibung gemeint: Jedes Bild, jedes Video, jedes Musikstück, das Sie im Internet laden, ist eine textlich manipulierbare Da­tenstruktur […] Dass alles Text ist, heißt also, dass man Bilder und Texte hören kann, weil Daten von ihren Interpretationsregeln getrennt sind. Das ist einerseits banal – wie gesagt: keine hochgestochene Metapher –, andererseits unsere digitale Wirklichkeit, die aber literarisch so gut wie nicht reflektiert wird. Und gerade die Literatur sollte diese Alltextlichkeit doch interessieren." Zur Frage, ob es nicht subversiver wäre, als Literat gänzlich auf digitale Werkzeuge zu verzichten und nur zu Papier und Bleistift zu greifen, antwortet Bajohr: "Digitale Literatur ist Literatur, die im Idealfall digitale Prozesse offenlegen kann, aber doch nur, wenn die Schreibenden wissen, wie sie funktionieren. […] Die Digitalisierung ist nicht weg, wenn man sie ignoriert, und Gegenwartsliteratur sollte sich mit ihr ­befassen."

Nun einige Artikel zum Thema: "Was wurde eigentlich aus [Kunstskandal XY] ?"

Beatrix Ruf trat vor wenigen Monaten von ihrem Posten als Leiterin des Stedelijk Museums in Amsterdam zurück, nach dem ihr öffentlich Interessenskonflikte zwischen ihrer Funktion als Direktorin einer staatlichen Institution und ihren unternehmerischen Nebentätigkeiten vorgeworfen worden waren. Ein Untersuchungsbericht, welcher nun veröffentlicht wurde, entlastet Ruf in allen Punkten. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung gibt sich Ruf erleichtert über das Fazit des Untersuchungsberichts und verteidigt ihre Politik der Private Corporate Partnerships gegen kritische Fragen ihrer Interview-Partnerin Catrin Lorch.

In Berlin sorgte vor einiger Zeit ein Gedicht des Poeten Eugen Gomringer für Aufregung. Sein als Wandmalerei an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule angebrachtes Werk "avenidas" schien einigen Studierenden als sexistisch, da es Frauen zu Objekten degradiere. Nach langem Hin und Her wurde das Gedicht tatsächlich überstrichen. (Hier gibt eine kurze Zusammenfassung der Kontroverse) Nun habe die Stadt Rehau das Werk an die Fassade des städtischen Kunstmuseums malen lassen und dem Künstler den Kulturpreis des Landkreises Hof verliehen, wie Ralf Pauli in seinem Artikel für die TAZ berichtet. Die Solidarität der Stadt komme nicht von ungefähr – Gomringer lebe seit mehr als vier Jahrzehnten in Rehau und habe dort das Institut für Konstruktive Kunst und Konkrete Poesie gegründet.

Die Debatte um Dana Schutz' Malerei "Open casket" war eine der wichtigsten des vergangenen Jahres (alle wichtigen Eckpunkte der Kontoverse kann man hier nachlesen). Nun wurde auf der Kunstmesse Liste Basel ein Gemälde des Künstlers Hamishi Farah ausgestellt, welches den Sohn Dana Schutz' zeigt. "Representation of Arlo" ist als direkte Antwort auf "Open casket" zu verstehen. Kealey Boyd hat sich für hyperallergic.com Gedanke über die Implikationen dieser Aneignungsgeste Gedanken gemacht.

Künstler Parker Bright posierte am Tag nach der Eröffnung der Whitney Biennale, in deren Rahmen "Open casket" ausgestellt wurde, direkt vor dem Bild, während auf seinem T-Shirt "Black death spectacle" zu lesen war. Fotos seiner Aktion verbreiteten sich rasch in sozialen Netzwerken und wurden zu einer Art Symbol für den Protest gegen die Präsentation von "Open casket". Ein Foto eben jener Aktion war Teil einer Ausstellung des Künstlers Neïl Beloufa im Palais de Tokyo in Paris, was allerdings den Protest Parkers zur Folge hatte. Beloufa habe das Bild ohne sein Einverständnis verwendet, so Parker. Das Bild wurde schließlich aus der Ausstellung entfernt, Beloufa entschuldigte sich. Alex Greenberger hat sich für artnews.com mit dem Streit befasst. Folgende Zitate entstammen Emails Parkers, in denen er sich gegenüber artnews.com zum Fall geäußert habe: "'[...]Beloufa’s use of his image was not dissimilar to the way Schutz used Till’s image as 'raw material.' […] 'I am looking to receive a public apology from the artist and the Palais de Tokyo because a personal email admitting that I was right about my accusations and not clarifying if the entire installation that included me was removed is not acceptable. Beloufa and the Palais de Tokyo should have both understood that the appropriation and co-opting of my likeness and work as well as the admittance that they took other works without permission is a very violent and privileged act that silences and flattens voices.'"

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Texte zur Kunst findet sich ein interessantes Gespräch zwischen den beiden Soziologen Uwe Vormbusch und Steffen Mau über die zunehmende Quantifizierung des Sozialen, also die Erfassung und Quantifizierung menschlichen Verhaltens durch numerische Systeme. Die Bedeutung von Quantifizierungssystemen für den Kunstmarkt schätzt Mau als momentan noch eher gering ein: "Dort herrscht das Kriterium der Subjektivität vor, die Erzeugung des Besonderen im engeren Sinne und auch eine hohe Kritikerkompetenz. Auch wenn ich selbst im Kunstmarkt eine zunehmende Verbreitung von Ratings und Rankings und Bewertungsformen von Künstlern/Künstlerinnen sehe, ist gerade die bildende Kunst nach wie vor ein von Experten und Expertinnen abhängiger Bereich, in dem Netzwerke von Kunstkritikern und -kritikerinnen, Galerien, öffentlichen Institutionen, Kunstzeitschriften als Valorisierungsagenten tätig werden. Sie definieren den Wert bestimmter Künstler/innen und Kunstwerke. Die Intrusion neuer Bewertungsformen, die Publikumsbewertung, öffentliches Interesse, Mediennennung, Verkaufspreise, Followers und Likes in sozialen Medien miteinbeziehen, tritt allerdings nach und nach in eine Konkurrenz zu den Experten und Expertinnen."

Eine etwas wirre Abrechnung mit der künstlerischen Fotografie der Gegenwart hat Daniele Muscionico für die Neue Züricher Zeitung verfasst. Es sei unklar, wozu das Medium heute noch tauge, so die im Teaser formulierte These der Autorin. Leider wird nicht ganz klar was genau das Problem sein soll, die Argumentation der Autorin wirkt über weite Strecken fahrig und sprunghaft.

Seit Jahren stößt man in deutschen Innenstädten auf Plakate der "Schule des Schreibens", nach eigenen Angaben die "größte Autorenschule Deutschlands". Das auf bizarre Art unprofessionelle Design der Kampagne, welche sich immer auf das gleiche Motiv beschränkt, hat mich schon immer fasziniert. Wer mehr über die Autorenschule erfahren möchte, der sei auf diesen Artikel aus der TAZ verwiesen. Literatur werde in den Kursen eher als eine Art Handwerk betrachtet: "Ein Schriftsteller ist kein Genie. Ein Schriftsteller ist jemand, der gut schreibt. Das kann man lernen"´, so die Botschaft an die Teilnehmenden.