Zitat der Woche von Niklas Maak über die gegenwärtige Kunstproduktion nach den Kunstskandalen des vergangenen Jahres, bei denen politische und moralische Fragen im Vordergrund standen. Zitiert aus einem Artikel auf der FAZ vom 03.09.2018.

Der Künstler Michael Riedel hat zum Ende des vergangenen Jahres seine Zusammenarbeit mit der Mega-Galerie David Zwirner beendet, welche ihn über 14 Jahren vertreten hatte. Im Interview mit Sarah Alberti, veröffentlicht auf monopol-magazin.de, beschreibt er die Gründe für seine Entscheidung: "[...] ich habe das Spiel vermisst. Die Distanz zum eigenen Tun. Viele Galerien sind gefangen in ihrer Seriosität. Für mich hat die Galerie zu wenig von meinen künstlerischen Interessen mitgetragen." Die schiere Größe des Betriebs David Zwirner würde zu zahlreichen Selbsterhaltungsmechanismen führen, so Riedel: "Das führt zu Zwängen: Da muss der Betrieb am Laufen gehalten werden, der enorme Kosten verursacht, die dann gedeckt werden müssen." Riedel spricht ungewöhnlich offen über geschäftliche Dinge. So erfährt man beispielsweise dass alle Absprachen mit der Galerie mündlich getroffen wurden, schriftliche Verträge würden nicht existieren. Interessant sind auch Riedels Ausführungen zu seiner Professur für Malerei an der Kunstakademie in Leipzig, wobei sein trockener Humor und sein nüchterner Blick auf den Kunstbetrieb die Lektüre zu einem echten Vergnügen machen.

Das NRW-Forum in Düsseldorf eröffnet in wenigen Tagen eine Ausstellung zum Thema Verschwörungstheorien. Das Lineup besteht aus zwölf Künstlern, einer Künstlerin und drei Künstlergruppen. In den vergangenen Tagen wurde von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren des Kunstbetriebs die geringe Anzahl an ausstellenden Künstlerinnen bemängelt, vor allem via Facebook und Instagram. Als wohl prominenteste Stimme forderte Künstlerin Candice Breitz eine Erklärung der beiden Kuratoren Florian Waldvogel und Alain Bieber. Nina Schedlmayer hat die Situation auf ihrem Blog artemisia.blog zusammengefasst. Eine öffentliche Erklärung der beiden Kuratoren blieb bisher aus [Stand: 17.09., 10.00 Uhr], allerdings hat das NRW-Forum auf der Facebook-Seite zur Ausstellung inzwischen folgende Erklärung veröffentlicht: "Ja, es gibt signifikant weniger Künstlerinnen als Künstler in der Ausstellung. Wir haben uns beim Kuratieren der Ausstellung an dem Thema abgearbeitet und an einem Diskurs orientiert, der scheinbar überwiegend männlich dominiert ist. Das wird auch an der Künstlerliste sichtbar. Wir haben die Arbeiten ausgewählt, die wir im Zusammenspiel miteinander und zum Thema am passendsten fanden. Es war ganz sicher nicht unsere Intention, weibliche Positionen von der Ausstellung auszuschließen. Es ist aber natürlich richtig, dass wir als Institution hätten hinterfragen müssen, wie es zu der überwiegend männlich besetzten Künstlerliste gekommen ist, und weitere weibliche Positionen hätten einbeziehen müssen. Wir nehmen das ernst und diskutieren gerade intensiv, was wir in Zukunft ändern können."

Die Ausstellung "Hello World" im Museum Hamburger Bahnhof in Berlin, welche kürzlich zuende ging, sollte Teil einer Revision der Sammlung der Nationalgalerie und ihrer westlichen Ausrichtung sein. Barbara Buchmaier und Hans-Jürgen Hafner haben eine Ausstellungsbesprechung verfasst, welche sich im Schreibprozess zum einem lesenswerten Essay "über den Kunst- und Museumsbetrieb unter postdemokratischen, globalisierten Prämissen, die Notwendigkeit, aber auch die Fallstricke kunst- und museumsgeschichtlicher Revision, über Machtverhältnisse und Vermittlungsfragen im allgemeinen oder identitätspolitische und postkoloniale Diskursen im besonderen" entwickelte, wie man der Einleitung des Textes entnehmen kann, welchen das Institut für Betrachtung kürzlich veröffentlichte.

William S. Smith macht sich in einem Essay für "Art in America" Gedanken über die klimatischen Folgen des internationalen Kunstbetriebs. Ständiges Reisen sei für viele ambitionierte Teilnehmer des Kunstzirkus Normalität und habe den Wert eines Statussymbols erlangt, so Smith. Allerdings seien die negativen Folgen für die Umwelt nicht zu leugnen. Internationale Vernetzung sei wichtig, so der Autor: "Internationalism remains one of the great strengths of contemporary art and a bulwark against rising nationalism. It’s even possible to argue that cultural exchange fosters the sort of international cooperation and mutual understanding essential for global problem solving." Darin liege ein nicht aufzulösender Widerspruch, so Smith.

Die Nachrichtenseite Spiegel Online ist nicht unbedingt für ihr Feuilleton bekannt - im Vergleich zu den meisten großen, deutschsprachigen Zeitungen werden Kunst & Kultur eher selten zum Gegenstand der Berichterstattung. Dass die Kompetenzen wahrlich nicht im Bereich der Bildenden kunst liegen, beweist diese traurige Abstimmung über die künstlerischen Qualität von kunststudentischen Arbeiten.

Eine sehr zeitgenössiche Form der Kunstkritik betreiben die beiden Künstlerinnen Zarina Muhammad and Gabrielle de la Puente unter dem Namen "The White Pube". Auf ihrer Homepage, auf Twitter, Instagram und Youtube veröffentlichen sie ihre Ausstellunsgbesprechungen, die umgangssprachlich formuliert sind, persönliches explizit mit einfließen lassen und die von einer klaren politischen Haltung geprägt sind - der überwiegend weiß und männlich geprägten Kunstwelt etwas entgegen zu setzen. Katie Goh stellt das Projekt der beiden in einem Artikel für den Guardian vor.

Ebenfalls interessant: das publizistische Projekt https://newmodels.io, welches Julian Wadsworth und Caroline Busta ins Leben gerufen haben. Es verlinkt lesenswerte Artikel und andere Publikationsformen, welche thematisch zusammengefasst werden. Jeder Themenbereich werde von einer Expertin / einem Experten betreut, welche/r Anregungen aus dem eigenen Netzwerk aufnehme und zusammenstelle. Mehr erfährt man in einem Artikel zum Projekt, welchen John Chiaverina für Artnews.com verfasst hat.

Im Kunstbetrieb ist in letzter Zeit immer häufiger das Potential der Blockchain-Technologie für den Kunstmarkt und sogar die Kunst selbst diskutiert worden. Eine einfach verständliche Einführung in die Technologie, welche unter anderem Krypto-Währungen wie BitCoin zugrunde liegt, hat der Internet- und Netzwerktheoretiker Michael Seemann auf seinem Blog veröffentlicht. Er verbindet seine technische Einführung mit einer Ideologiekritik der Blockchain - sie sei als Technologie ohne sie nicht zu verstehen, so der Autor. Sie entspringe einem antiinstitutionellen, libertären Gesellschaftsbild: "Statt Vertrauen in Institutionen sollen wir Vertrauen in die Kryptographie haben. Statt unserer Bank sollen wir auf die Unknackbarkeit von Verschlüsselung vertrauen, statt auf Uber oder einer Taxi-App sollen wir einem Protokoll vertrauen, das uns einen Fahrer zu vermittelt."

Niklas Maak macht sind in einem lesenswerten Essay in der FAZ Gedanken über die beiden eher kleinen (deutschen) Kunstskandale der vergangenen Wochen. Die goldene Statue des türkischen Präsidenten Erdogan, welche in Wiesbaden aufgestellt und kurz darauf wieder abgebaut wurde, habe ein merkwürdiges Paradox offengelegt - dass Kunst auch provozieren dürfe bzw. sogar solle werde von politischer Seite immer wieder betont. Erfülle sie dann allerdings ihre Aufgabe, werde sie zum politischen Problem erklärt: "Ein zu wenig protesthaltiges Werk, von dem alle allenfalls sagen, 'schönes Rot!', fällt im Relevanztest für die Zulassung als echte Kunst durch. Wenn aber die angestrebte Provokation jenseits ihrer Protestästhetik wirklich zündet, wird das Kunstwerk zum Gegenstand polizeilicher Erwägungen." Gegenwärtig diskutiert wird auch das Vorhaben des russischen Künstlers und Filmemachers Ilya Khrzhanovsky, eine Art Sperrbezirk in der Berliner Innenstadt zu errichten, welcher von einer Betonmauer umgeben sein soll. Darin solle sein aktuelles Filmprojekt präsentiert werden, eingerahmt von einem aufwändigen Begleitprogramm. Maak unterstellt, dass die mediale Aufregung um die beiden Projekte eine Folge der kunstbetrieblichen Diskussionen sei, die das vergangene Jahr geprägt hätten, welche wiederum vor allem politisch und moralisch fundiert gewesen seien. "Daraufhin schien die Kunstwelt [...] unter Schock zu stehen. Die Debattenmaschine hatte einfach aufgehört zu rattern. Ein Großteil der Gegenwartskunstproduktion schien wie von Geisterhand von Krawall auf Heilung umgeschaltet zu haben. [...] Angesichts dieser Portionierung der Kunst auf Tablettengröße wirken die neuesten Kunstskandale wie eine verzweifelte Erinnerung daran, was vor dem Regiment der neuen Milden passierte, wenn die Kunst auf die Straße ging", so die Einschätzung Maaks.